Ein Experiment auf der Bühne

You are currently viewing Ein Experiment auf der Bühne

Tageszeitung „Der Patriot“ / Marcus Kloer

Wenn sich das Erlebte wie ein Traum anfühlt und die Grenzen zwischen Schein und Wirklichkeit verschwimmen, dann wird das Publikum in die Welt von Shakespeares „Sommernachtstraum“ entführt. Den Theaterklassiker hatte sich der Literaturkurs des Friedrich-Spee-Gymnasiums Rüthen unter Leitung der Lehrer Andreas Dierkes und Christian Kühle als Grundlage für seine diesjährige Aufführung ausgesucht und doch etwas Besonderes aus der Vorlage gemacht: einen szenischen Theaterabend, der das Publikum an der Arbeit in dem Unterrichtsfach teilhaben lässt und es einbindet, um den Zauber von Shakespeares Werk selbst und leibhaftig erfahren zu können.

Neben dem Liebesspiel und wechselnden Gefühlen beispielsweise zwischen den jungen Paaren Lysander (Hermann von Fürstenberg) und Hermia (Eva Fenske) sowie Demetrius (Fabian Hinz) und Helena (Paula Kruse) führten die Dialoge zwischen dem vorwitzigen Puck (Lotta Schulenberg) und der Elfe (Johanna Hötte) die Handlung fort. Zudem zeigte der Literaturkurs, wie ein Theaterstück erarbeitet wird und die literarische Vorlage auf verschiedene Weise auf der Bühne umgesetzt werden kann. Dazu wurden die fragmenthaft gespielten Szenen als Teil des selbstgeschriebenen Drehbuches vom Regisseur Andreas Dierkes mehrfach unterbrochen.

Da wurde Shakespeares mehr als 400 Jahre alte Sprache als Herausforderung vorgestellt, das Versmaß unter lautmalerischer Einbindung des Publikums analysiert und der Kostümentwurf von Skizzen bis zum Elfenkleid vorgestellt. Und wie macht man das eigentlich mit dem Bühnenbild? Realistisch gestaltet oder passt besser puristisch und abstrakt? An Wortwitz mangelte es Andreas Dierkes bei seinen Einwürfen nicht und das Publikum war stets vortrefflich unterhalten.

Auch die Schüler wendeten sich im Bühnenspiel mehrfach direkt an das Auditorium, besonders oft der vorwitzige Puck, der mal endlich mit dem Theaterspiel anfangen wollte, den Regisseur langweilig fand oder schonmal mit dem Besen durch das Publikum fegte.

So reihten sich Szenen und Regiepassagen aneinander. Mit erstaunlichem Verständnis für die Intention und empathischem Spiel nahmen die jungen Schauspieler das Publikum mit in den „Sommernachtstraum“ sowie hinter die Kulissen. Sie verbanden die einzelnen Fragmente zu einem sinnvollen Gesamtwerk.

Am Ende durfte auch das Publikum Teil des Stückes werden: wer mochte, konnte auf der Bühne Platz nehmen und die letzten Szenen von dort verfolgen. Wie das Bühnenexperiment gefallen hatte, zeigte der kräftige Schlussapplaus. Es war der versprochene unterhaltsame und ungewöhnlich gestaltete Theaterabend, an dem aber wirklich niemand Angst vor frechen Elfen, hormongesteuerten Streithähnen und liebestrunkenen Charakteren haben brauchte, sondern von selbigen vortrefflich in Shakespeares Zauberwelt entführt wurde.