Solidarität und Gedenken an die Opfer der NS-Zeit aus Rüthen 

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Am 09.11. sind wir vom Geschichte Zusatzkurs mit Eimer und Lappen in die Rüthener Altstadt losgezogen. Unser Lehrer Herr Wachsmuth hatte vorgeschlagen, anlässlich der Reichspogromnacht, auch genannt „Reichskristallnacht“, die Stolpersteine zum Gedenken an die jüdischen Familien aus Rüthen zu polieren. 

Wir haben in Gruppen kleine Vorträge zu den einzelnen Familien und Personen gehalten, um uns mit ihren individuellen Schicksalen zu beschäftigen und die Geschichte hautnah zu begreifen. Im Anschluss haben wir die Stolpersteine poliert und auch der alten Synagoge einen Besuch abgestattet, die man nur noch an einem Schild an einer Hauswand erkennen kann.

In der Reichspogromnacht vom 09.11 auf den 10.11.1938 wurden in ganz Deutschland viele Synagogen angezündet, Geschäfte und Häuser der jüdischen Bevölkerung zerstört und geplündert. 

Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es leider keine jüdischen Familien mehr in Rüthen, da diese alle deportiert und auf grausame Weise ermordet worden oder auf anderen Wegen durch den Antisemitismus gestorben sind. 

Es lebten in Rüthen Familie Pollack, Willi und Leo Alexander, Mathilde Ruthenburg, Albert Stern und Clara Weiss. Am Beispiel der Familie Pollack sehen wir, dass die jüdische Familie in Rüthen beliebt und engagiert war, eine Metzgerei und einen Viehhandel geführt hat und ein gutes Leben hatte, bis ihnen alle Rechte und schließlich ihr Leben genommen wurde durch Deportierung in die Ghettos Riga und Warschau.

Wir gedenken:

Willi und Leo Alexander: am 28. April 1942 auf Geheiß der Gestapo ins Lager Zamosc verschleppt, das genaue Schicksal ungewiss, vermutlich Tod durch Zwangsarbeit oder durch die SS-Mordkommandos im Oktober 1942 ermordet.

Familie Pollack: Familienoberhaupt Abraham Pollack starb durch Krankheit am 27.7.1939 – die Ärzte verweigerten „dem Juden“ jegliche medizinische Versorgung. Seine Frau Hedwig, sowie die beiden gemeinsamen Töchter Erna (mit ihrem Ehemann Rudolf und ihrem sechsjährigen Sohn Kurt) und Anita wurden am 30. März 1942 ins Ghetto nach Warschau deportiert und dort ermordet.

Die gemeinsame Tochter Emma Pollack wurde mit ihrem Ehemann Rudi – der in der Reichspogromnacht von Rüthener Mitbürgern bei der Erstürmung und Verwüstung des Wohnhauses schwere Kopfverletzungen erlitt – gemeinsam mit ihrem Sohn am 13. Dezember 1941 ins Ghetto Riga deportiert und dort ermordet.

4 weiteren Töchtern und 2 Söhnen von Abraham und Hedwig Pollack gelang 1938/1939 die Flucht in die USA.

Sally Pollack – ein Bruder von Abraham Pollack – wurde durch die Schikanen und Repressalien durch Rüthener Mitbürger in den Suizid getrieben (18.5.1937).

Mathilde Ruthenburg wurde am 27. Juli 1942 zunächst ins KZ Theresienstadt deportiert, am 23. September 1942 von dort in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt und in einer der Gaskammern ermordet.

Albert Stern: zusammen mit Mathilde Ruthenburg ins KZ Theresienstadt deportiert, dort am 25. August 1942 verstorben.

Clara Weiss: zusammen mit Mathilde Ruthenburg und Albert Stern ins KZ Theresienstadt deportiert, von dort am 29. Januar 1943 nach Auschwitz verschleppt und in einer der Gaskammern ermordet.

Es ist uns wichtig, diesen Tag und dieses Kapitel unserer Geschichte nicht unter den Tisch zu kehren, sondern weiterhin Solidarität zu zeigen für die vielen Opfer des Nationalsozialismus und für das Thema zu sensibilisieren, um zu vermeiden, dass sich diese Geschichte, egal in welcher Form, wiederholt.

Die Messingsteine, verteilt in der Altstadt von Rüthen, stehen für die Schicksale der Juden aus Rüthen, aber auch als Mahnmal für die Grausamkeit des Holocaust und der gesamten NS Zeit. 

Das Polieren der Steine aus Respekt und zum Gedenken an diese schreckliche Nacht hat uns die „Geschichte vor unserer Haustür“ greifbarer gemacht und gezeigt, wie nah auch wir in Rüthen diesen schrecklichen Ereignissen gewesen sind.

Victoria Eilinghoff, Q2