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Gelungen interpretiert: Die Schauspieler von "Spectaculum" hatten Anton Tschechows Klassiker "Der Kirschgarten" gekonnt umgesetzt.

Auf Suche nach den Antworten des Lebens

Rüthen. Auf der Bühne steht ein Kreisel. Darin fährt ein Zug – kommt nie an. Kein Abschied und keine Ankunft. Doch ohne Abschied kein Neubeginn. Wer nicht zurücklässt, kann nicht (vor)ankommen. Dreht man sich im Kreis, erlebt man keine Veränderung, kreiselt auf der Stelle.

Das ist die Lehre, die man auch heute noch aus Anton Tschechows Klassiker „Der Kirschgarten“ ziehen kann. Am Samstag feierte Spectaculum, die Theatergruppe des Spee-Gymnasiums, ihre gelungene Premiere des Vierakters, vor nahezu ausverkauftem Haus und erstmals unter der Regie von Klaus Herting. Die Inszenierung überraschte, irritierte mit gegenwärtigen Elementen und örtlicher Zentrierung des Zuschauers - ebnete letztendlich hierdurch aber auch den Weg durch das sprachgewaltige, in der Absurdität und Ironie der Dialoge wirkende Stück. Der gewollte Bruch im Anachronismus – auf der Bühne fand sich Plastikspielzeug, der Schreiber (im Rockeroutfit) schmachtete seine Liebste mit Stones-Klängen an – erzeugte Identifikation. Und passte zum grotesken Miteinander. Verschrobene Charaktere, ein bis zum Gehtnichtmehr gespannter Spannungsbogen, inmitten einer sonst fast morbiden Grundstimmung, machten einen weiteren Reiz des eher handlungsarmen Stücks aus.

WP vom 28.04.08

Brillant: Kaufmann Lopachin, verkörpert von Timo Petersilie

„Man wird lachen und natürlich weiß niemand warum“, verriet Tschechow vor der Uraufführung. Er wollte es ausdrücklich als Komödie verstanden haben. Diese Rechnung ging, nach mehr als 100 Jahren, auch beim Rüthener Publikum auf. – Die Handlung lässt dabei eher auf eine Tragödie schließen. Russische Gutsbesitzerfamilie wird mit dem Wandel der Wirtschafts- und Sozialstruktur Russlands um Neunzehnhundert nicht fertig. Einzige „im Leben stehende“ Person ist im Stück der Kaufmann Lopàchin (herausragend brillant verkörpert von Timo Petersilie). Er, Nachfahre ehemaliger Leibeigener der Familie, versucht aus alter Verbundenheit die Zwangsversteigerung des zum Besitz gehörenden Kirschgartens zu verhindern. Niemand mag der Realität ins Auge zu sehen. Die Familie lehnt entrüstet seinen Vorschlag ab, Datschen (Ferienhäuser) auf dem gerodeten Grund zu errichten, flüchten – jeder auf seine Weise, vor der Wahrheit.

Herrin Ranèwskaja (wunderbar melancholisch entrückt: Mareike Gastl) trauert ihrer Kindheit (deren Sinnbild der weiß blühende, geliebte Kirschgarten ist) ebenso nach, wie ihr Bruder (treffend wahnsinnig und schrill: Joscha Pfeiffer). Sie verharren in ihren Situationen, lethargisch und ausweglos. Nicht nur sinnbildlich die Zeit verschläft – mit Hilfe ganzer Hände voller Tabletten- Gutsbesitzer Pischtschik (gekonnte Mimik: Jan Förster). Tochter Anja (voller Sanftmut: Karina Henne) hingegen ist unglücklich verliebt in den verklemmten beziehungsunfähigen Studenten (immer die Lacher auf seiner Seite: Marian Krüper) schafft so den Absprung in die ersehnte Zukunft nicht. Kontorist Jepichòdow (mit mutiger Rockebilly-Einlage: Konstantin Heine) liebt Zimmermädchen Dunjascha (leidenschaftlich: Daniela Rinkowski), die mag aber den jungen Diener Jascha (überzeugend arrogant: Michael Blecke). Endloses Ringelreigen. Dass sie „Keinen zum Reden“ hat, beklagt Gouvernante Iwànowna (klasse Rolle, tolle Stimme und Ausstrahlung: Verena Kirse) und verjagt im Trippelgang jeden, der ihr zu nahe kommt, wenn es sein muss mit der Flinte.

Über zweieinhalb Stunden reden die Protagonisten aneinander vorbei, nehmen sich kaum wahr, drehen sich im Kreis(el) auf ihrer Suche nach den Antworten des Lebens. Am Ende kauft Lopachin den Garten. Der Knecht wird zum Herr. Ist aber auch gefangen in seinem Streben, seiner neuen Rolle und seiner alten Verbundenheit zur Herrin. Ihr zuliebe will er Warja, ihre Stieftochter (ausdrucksstark Julia Klaas) heiraten, ist aber letztendlich dazu nicht in der Lage. Der Einzige, der sein ganzes Leben in Zufriedenheit (aber ohne Veränderung) verlebt hat, ist Firs (sehr überzeugend alt und untertänig: Michael Arens), der alte Diener. Ein tragisches Ende nimmt seinen Lauf.... . „Der Kirschgarten“ hinterließ sein Publikum – nach begeistertem Schlussapplaus und stehenden Ovationen - in eigentümlich gespaltener Stimmung. In die morbide Grundatmosphäre schlichen sich während der Aufführung immer wieder kleine „Luft-anhalte-Momente“. Augenblicke, in denen der Kreisel (der Dramaturgie) zum gewollten Schlingern kommt. Ein überaus atmosphärisches Stück, das in seiner Symbolträchtigkeit und Sprachgewalt gefangen nimmt, die Gedanken auch nach dem letzten Vorhang noch kreiseln lässt und das man durchaus auch ein zweites Mal sehen kann oder gar muss.









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