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Rüthen. Nein,
Schulleiter Dr. Hans-Günther Bracht scheut diesen Begriff nicht: Die 48
jungen Leute, die er gestern mit dem Abitur entlassen konnte, gehörten
damit zur Elite eines Jahrgangs - und einige rückten vielleicht einmal
zur Elite der Gesellschaft auf.
Doch es ist eine andere Elite, auf die der Chef des
Friedrich-Spee-Gymnasiums stolz ist - keine raffgierige, sondern eine, der
in den vergangenen Jahren in Rüthen Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit
als Werte vermittelt worden seien. Bracht erinnerte in diesem Zusammenhang
an das deutliche Engagement seiner Schüler für Toleranz und
Friedfertigkeit im Zusammenhang mit dem mutmaßlich rechtsradikalen
Vorfall im letzten Jahr. Angesichts der Erfahrungen mit den Abiturienten
ist sich Bracht sicher, dass diese Elite sich auch künftig für
demokratie-orientierte Veränderungsprozesse einsetzen wird.
Studiendirektor Franz-Josef Risse griff dies in seiner Ansprache namens
des Kollegiums auf: Die Erziehung im Gymnasium habe eben nicht nur Bildung
vermitteln wollen, sondern auf die Übernahme sozialer Verantwortung
gezielt.
Habe früher das Prestige beim Abitur im Vordergrund gestanden, meinte
Schulleiter Bracht, so scheine es heute jedoch "fast schon um
Existenzsicherheit zu gehen": "Ich sah Gesichter, die Angst
hatten, sich die Zukunft zu verbauen." "Fast wie Tiger" hätten
die jungen Leute gekämpft (und nennen sich auch als Jahrgang die
"Abi-Tiger"): Freiwillig machten etliche noch eine weitere mündliche
Prüfung, um ihre Durchschnittsnoten noch aufzubessern. Von
Ich-Bezogenheit dürfe dennoch keine Rede sein: "Wir sahen Bejahung
der Leistung und Wahrnehmung der berechtigten Eigeninteressen." Angeführt
wird die Elite von Martin Reinold, Lena Wessel und Mathias Schmücker, die
gestern als Jahrgangsbeste ausgezeichnet wurden.
Bürgermeister Rudolf Schieren legte in seiner Ansprache den Begriff des
"Reifezeugnisses" so aus, dass dieses nicht nur Abschlussbeleg
und Zugangslizenz sei, sondern auch eine Verpflichtung zur Übernahme von
Verantwortung beinhalte: Die Schule habe dafür das Rüstzeug geliefert,
"den Willen dazu aber muss ein jeder selbst aufbringen und sich
dessen sein Leben lang bewusst bleiben, worin sich die Kontinuität
menschlicher Reifeprüfungen beweist".
Einem Hausbau
vergleichbar stuften Lena Wessel und Martin Reinold für den Jahrgang ihre
Schulzeit ein - und würdigten ihr Gymnasium dabei als "renommiertes
Bauunternehmen". Jetzt trennten sich die Wege: Jeder habe es nun in
der Hand, sein Haus auszubauen - oder sich darin einzuschließen.
18.06.2004
Von Jürgen Kortmann
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