RÜTHEN. Wenn
das Publikum bei der Aufführung von Goethes Faust ( Erster Teil )
durch das Rüthener Theater-Ensemble "Spectaculum" nach
dreieinhalb Stunden mit nur einer kurzen Pause zum Schluss die
Darsteller und den Regisseur mit "Standing Ovations" gut
eine viertel Stunde lang feierte, dann müssen Inszenierung und
Verwirklichung wirklich eine besondere Qualität gehabt haben. Und
das traf in der Tat auch zu!
Was die etwa drei Dutzend jungen Leute der Theatergruppe des
Friedrich-Spee-Gymnasiums und die beiden Schülerväter, "Gäste"
von der Rüthener Theatergruppe "Jodocus", am Samstagabend
unter ihrem Regisseur Herrmann Bertling geleistet haben, das ging
weit über den Rahmen von Schülertheater hinaus. Die Akteure
schafften es, sich vom Deklamieren zu lösen und ihre Texte in einer
natürlichen und ungekünstelten Sprache in Rede und Gegenrede zu präsentieren.
Auch Mimik und Gestik überzeugten.
Die Kostüme wiesen allerdings nicht jene aufeinander abgestimmte
Farbharmonie auf, wie wir sie von subventionierten Bühnen kennen.
Die Hexen und die Geister waren fantasievoll ausstaffiert. (Ein
schmales Budget macht kreativ.) Für die Hauptdarsteller hatten die
Kostümbildnerinnen Sonderanfertigungen geschneidert. Ansonsten
wurde manche moderne Weste zum mittelalterlichen Wams
umfunktioniert. Das professionelle Bühnenbild ermöglichte einen
raschen Szenenwechsel. Mit vier hohen Wänden auf Rollen wurden
immer wieder neue Spielräume geschaffen.
Zu Beginn ging es etwas akademisch an Goethes gelehrtem Text
entlang. Aber dann öffnete sich krachend eine Klappe im Bühnenboden,
und unter Blitz und Donner erschien des Herrgotts Gegenspieler,
Mephistopheles, der "Geist, der stets verneint". Der
quirlige Darsteller Hartwig Bertram buckelte sich im roten Umhang an
den "Alten" heran. Mit berechnender Bosheit ließ er seine
Sarkasmen wirkungsvoll vom Stapel. Vor jeder bösen Pointe machter
er eine kleine Pause und genoss es, wenn er Anstoß erregte.
Der alte Faust ( Friedhelm von Meißner) hielt mit einer
Albert-Einstein-Mähne seinen berühmten Monolog. Es folgten die
Gespräche mit dem Erdgeist, mit Wagner, Pakt mit Mephisto. Die
Inszenierung orientierte sich genau am Text, keine Aktualisierungen,
keine Verfremdungen. Regisseur Hermann Bertling ging es um eine
werkimmanente Inszenierung.
Die folgenden Szenen - die tragische Liebesgeschichte - ließen
nicht kalt. Der junge Faust wurde mit großem Ernst von Jasper
Hangebrauck dargestellt. Immer wieder wurde jetzt das Spiel der
jungen Darsteller von begeistertem Beifall unterbrochen. Clarissa
Struwes Gretchen rührte an: Seine Schüchternheit, sein Schmerz,
seine Gebete, sein Wahnsinn und seine Verzweiflung. Beide Darsteller
könnte man sich gut im Ensemble eines professionellen Theaters
vorstellen. Auch Anne Klaus als Marthe trauerte und balzte sich
bestens durch ihre Rolle. Am Ende sprach Mephistopheles das Urteil
über Gretchen: "Sie ist gerichtet." Anders als bei Goethe
gestand er seine Scheitern ein, sprach die folgenden Worte "Sie
ist gerettet" selbst und ging gebeugt von der Bühne.
Weitere Aufführungen finden am Dienstag, 27. Mai, am Samstag, 31.
Mai und am Donnerstag, 5. Juni statt. |